Kinder entdecken die Welt über ihre Sinne – durch Spüren, Bewegung im Raum, Einsatz ihrer Muskeln, Sehen, Hören, Riechen und Schmecken. Doch was passiert, wenn diese Sinne nicht reibungslos zusammenarbeiten? Sensorische Integrationsstörungen (SI-Störungen) können die körperliche und psychische Entwicklung und den Alltag eines Kindes erheblich beeinflussen und für Eltern, Pädagog:innen und Therapeut:innen herausfordernd sein. Die gute Nachricht: Je früher man die Auffälligkeiten erkennt und Ernst nimmt, desto besser kann geholfen werden. Hier erfährst du, auf welche Warnsignale du achten solltest und wann es Zeit für eine Therapie ist.
Was sind sensorische Integrationsstörungen?
Dr Ayres beschreibt den Prozess der sensorischen Integration sehr schön und gut verständlich in ihrem Buch "Bausteine der kindlichen Entwicklung". Wenn du dieses Buch noch nicht besitzt, kann ich es dir nur wärmstens empfehlen - es wird für viele Jahre eine Schatzkiste sein, in der du immer wieder stöbern kannst!
Sensorische Integration ist der Prozess, bei dem das Gehirn Sinnesreize verarbeitet und darauf reagiert. bzw. sie für unser Handeln nutzt Bei einer SI-Störung funktioniert diese Verarbeitung nicht geordnet. Das Gehirn ist in bestimmten Sinnessystemen über- oder unterempfindlich oder kann die Sinneseindrücke nicht exakt analsysieren und zu einem sinnvollen Ganzen integrieren. Die sichtbaren Folgen können mehr sozio-emotionaler Natur oder mehr leistungsmäßig (Ungeschicklichkeiten, Unselbstständigkeit) sein.
Auffälligkeiten in der sensorischen Verarbeitung
Jedes Kind entwickelt sich individuell, aber bestimmte Auffälligkeiten können darauf hindeuten, dass es Unterstützungsbedarf gibt. Hier einige Beispiele:
1. Überempfindlichkeit (Hyperreaktivität):
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Das Kind vermeidet den Hautkontakt mit zarten, diffusen Berührungsreizen, z. B. von Sand, Gras, Creme oder Fingerfarben oder bestimmten Stoffen.
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Es empfindet alltägliche Reize, wie Haare bürsten oder Kleidung anziehen, als unangenehm oder schmerzhaft.
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Es ist sehr heikel bei der Nahrungsmittelauswahl.
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Es reagiert übertrieben oder panisch auf laute Geräusche oder plötzliche Bewegungen.
2. Unterempfindlichkeit (Hyporeaktivität):
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Das Kind sucht ständig nach starken Reizen, z. B. durch Hüpfen, Drehen oder Stoßen.
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Es bemerkt nicht, wenn es sich verletzt hat, oder reagiert kaum auf Berührungen.
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Es wirkt unruhig oder scheint getrieben zu sein, sich vigoros zu bewegen, wobei es oft waghalsig und unfallgefährdet ist.
3. Koordinations- und Bewegungsprobleme:
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Das Kind hat Schwierigkeiten beim Greifen, Werfen oder Balancieren.
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Es stolpert oft oder hat Probleme, einfache Bewegungsabfolgen auszuführen.
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Feinmotorische Aufgaben wie Schreiben, Malen oder das Verwenden von Besteck fallen schwer.
4. Probleme der emotionalen Regulation:
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Das Kind reagiert überfordert oder ängstlich in ungewohnten Situationen.
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Es zeigt plötzliche Wutausbrüche oder zieht sich häufig zurück.
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Kleine Veränderungen im Alltag führen zu großem Stress.
Wann sollte ein Kind eine:r ASI-zertifizierten Ergotherapeut:in vorgestellt werden?
Nicht jede Auffälligkeit erfordert sofort eine Therapie. Viele Kinder durchlaufen Entwicklungsphasen, in denen sie empfindlicher oder unkoordinierter wirken. Eine professionelle Einschätzung ist jedoch ratsam, wenn:
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die Auffälligkeiten über einen längeren Zeitraum bestehen (mehr als 6 Monate).
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das Kind in seiner Entwicklung und in der Alltagsbewältigung deutlich eingeschränkt ist, z. B. in der Schule, im Kindergarten oder zu Hause.
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die Probleme sich auf das Sozialverhalten oder die emotionale Gesundheit auswirken.
Eine Ergotherapie mit Schwerpunkt auf Ayres' Sensorischer Integration (ASI®) hilft zunächst durch die Diagnostik, die Probleme des Kindes neu zu sehen und die Ursachen zu verstehen und gezielt daran zu arbeiten.
Wie können Pädagog:innen helfen?
Pädagog:innen spielen eine entscheidende Rolle bei der frühen Erkennung von SI-Störungen. Hier sind einige Tipps:
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Beobachten: Achte auf Verhaltensmuster und wiederkehrende Auffälligkeiten.
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Dokumentieren: Notiere Auffälligkeiten und besprich diese mit Eltern und Fachkräften.
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Kooperieren: Suche den Austausch mit Ergotherapeut:innen, um gezielte Strategien für den Alltag zu entwickeln.
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Unterstützen: Biete dem Kind Anpassungen an, z. B. einen ruhigeren Arbeitsplatz, sensorische Pausen oder spezifische Bewegungsangebote.
Fazit
Sensorische Integrationsstörungen müssen kein Hindernis für eine gesunde Entwicklung sein – vorausgesetzt, das Kind wächst in einer verständnisvollen Umwelt auf und seine Probleme werden frühzeitig erkannt und professionell behandelt. Mit einem geschulten Blick können Pädagog:innen wichtige Warnsignale identifizieren und damit den Weg für eine frühzeitige Therapie ebnen, bevor es zu sekundären psychischen Schäden gekommen ist. Gemeinsam der Ergotherapeut:in kann die Pädagog:in das Kind dabei unterstützen, die Welt in seinem Tempo und auf seine Art zu entdecken.
Hast du Eltern schon den Verdacht auf eine sensorische Integrationsstörung mitgeteilt? Teile deine Erfahrungen und Tipps für andere Pädagog:innen und Therapeut:innen gerne in den Kommentaren!
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